Sammlung Hartmut Binder

Hartmut Binder hat forschungs- und rekonstruktionsgetrieben gesammelt. Der Bestand ist in zwei Teilsammlungen organisiert und konzentriert sich zum einen auf die Prager deutsche Literatur und das Umfeld um Franz Kafka, dem Binder nahezu sein gesamtes Forschungsleben gewidmet hat, und zum anderen auf den Versuch, Kafkas Buchbesitz und Buchnutzung zu rekonstruieren.


Der erste Teil umfasst zahlreiche seltene Quellen zum literarischen und kulturellen Umfeld und der Prager Lebenswelt von Franz Kafka sowie seltene Drucke seiner zeitgenössischen Schriftstellerkollegen. Die Bücher (388 Bände) dokumentieren die Literaturszene in Prag vor 1938, darunter sind Widmungsexemplare, u.a. von Otto Pick, Willy Haas, Max Brod und Emil Faktor.


Im zweiten Teil (809 Bände) unternimmt Hartmut Binder den Versuch, den Buchkosmos von Franz Kafka zu rekonstruieren, indem er möglichst auflagengenau diejenigen Bücher versammelt, die Kafka entweder gelesen oder besessen hat. Wissenschafts- und sammlungsgeschichtlich fügt er sich in eine komplexe Geschichte von Rekonstruktionsversuchen ein.


Besonders erwähnenswert sind hier die von Kafka benutzten Schulbücher und Ephemera aus dem Prager Alltag sowie von Kafkas Reisen (z. B. ein Prospekt der Rigi-Bahn, Materialien zu der Flugshow in Brescia 1905). Die gesamte Sammlung ist für den Werkkontext sehr aufschlussreich, vieles darin sucht man in deutschen Bibliotheken vergeblich; Kafkas Lektüren sind umfassend abgebildet, etwa wesentliche Titel und Reihen wie ›Schaffsteins grüne Bändchen‹ oder Reiseberichte in Strafkolonien. Mit dem Literaturmagazin Kmen befindet sich in der Sammlung der erste Druck einer Übersetzung Kafkas, nämlich des Heizers durch Milena Jesenská. Die von Kafkas Freund Willy Haas herausgegebenen Herder-Blätter, komplett in Binders Sammlung, sind im Originaldruck auf dem Buchmarkt nicht mehr zu finden. Nicht zuletzt im Hinblick auf das Kafka-Jahr 2024 ist Binders Sammlung mit ihrem hohen Schauwert und seltenem Quellenmaterial eine wertvolle Erwerbung.


Natalie Maag / Lorenz Wesemann


Beitragsbild: Auswahl an Ephemera (u.a. Reiseführer, Prospekt der Rigi-Bahn) aus Hartmut Binders Sammlung ›Kafkas verlorene Bücher‹. Foto: DLA Marbach.

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