Gleich vorneweg: In unserem ›Lach-Labor‹ haben sich permanent die Bedingungen und Kontexte verändert. Ab und zu haben wir es in Führungen oder Veranstaltungen eingebunden. Im Laufe der Zeit hingen an den Wänden immer mehr Zettel und damit mögliche ›Influencer‹. Das ›Labor‹ hatte also keine Laborbedingungen. Für uns war es eine gute Möglichkeit, unsere Besucherinnen und Besucher ein wenig besser kennen zu lernen und damit zu experimentieren, wie wir solche Formate in Ausstellungen einbinden und damit neue Formen der Vermittlung und des Dialoges erschließen können.
106 Besucherinnen und Besucher insgesamt haben auf diese Fragenreihe geantwortet: »Wie siehst Du aus, wenn Du lachst? Wie fühlst Du dich dabei? Wie ist es, wenn Du innerlich lachst, also keiner so recht sieht, dass Du Dich freust?« Einige der Antworten: »Ich lache viel und verziehe dabei sämtliche Gesichtsmuskeln. Das entspannt.« – »Ich sehe wie eine Sonnenblume aus.« – »Wenn ich lache, sieht das bestimmt ganz komisch aus.« – »Wenn ich lache: ist mein ganzes Gesicht verzerrt. Lachen fühlt sich einfach nur gut an.« – »Wenn man lachen kann, soll man sich glücklich schätzen. Man wirkt albern, manche Leute runzeln vielleicht die Stirn oder schütteln den Kopf. Der Bauch tut einem weh, man weint manchmal sogar und dennoch könnte man in diesem Moment nicht glücklicher sein.« – »Man kann sein Lachen und die Freude, die man dabei spürt, wie die Wärme der Sonne teilen. Denn die Sonne wärmt auch einen selbst.« – »Ich fühle mich dann, als wäre mein Lächeln das einzige, was es in dem Moment gibt.« – »Es fühlt sich an, als ob man die ganze Zeit jeglichen Frust und Niederschlag in sich aufgestaut hätte, wie in einem riesigen Luftballon. Beim Lachen – und sei es nur innerlich – platzt diese negative Blase und bietet wieder Raum für schöne Dinge. Das Engegefühl, das der Ballon hervorrief, verschwindet und man fühlt sich um Tonnen leichter …« – »Lachen befreit.« – »Meistens weine ich innerlich und fühle mich dabei traurig. Wenn ich innerlich lache, also nur für mich, fühlt sich das irgendwie warm in Bauch und Brust an, und als würde das Lachen langsam die Kehle hoch wandern. Ich lache meist relativ leise.«
117 Besucherinnen und Besucher haben notiert, wie lange sie gebraucht haben, um bei Ernst Jandls Gedicht Ottos Mops zu lachen. Im Schnitt lachten sie nach 16 Sekunden. 11 fanden das Gedicht nicht überhaupt nicht komisch. 14 lachten nach 25 Sekunden, 19 lachten schon in den ersten vier Sekunden. »Schmunzle schon bei der Überschrift.« – »Bei mir genauso.«. Mehrfach nahmen die Besucherinnen und Besucher durch solche Kommentare an den Laborstationen Bezug auf andere. Besonders oft kommentiert wurde (von uns unbeabsichtigt) die offenbar nicht leicht zu bedienende Sekundenuhr aus unsere Fotowerkstatt: »es bleibt spannend 🙂 öfter probieren.« – »Irgendwie funktioniert sie und irgendwie nicht ~ Ein Mysterium?« – »grün: kräftig drücken à läuft, rot > stop, weiss wieder auf Null.« – »Geht doch!«
Bei drei Gedichten von Robert Gernhardt baten wir: Suchen Sie sich eines aus und markieren Sie die Stelle, an der Sie lachen müssen.82 wählten Gittis Hirsch, 39 Ein Gleichnis, 31 Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs. Am homogensten waren die Lachauslöser beim Gleichnis, einer Rilke-Parodie: 20 markierten »Käthe«, acht »schielte«, 13 »Na, dann nicht«.
Wie wenn da einer, und er hielte
ein frühgereiftes Kind, das schielte,
hoch in den Himmel und er bäte:
»Du hörst jetzt auf den Namen Käthe!« –
Wäre dieser nicht dem Elch vergleichbar,
der tief im Sumpf und unerreichbar
nach Wurzeln, Halmen, Stauden sucht
und dabei stumm den Tag verflucht,
an dem er dieser Erde Licht …
Nein? Nicht vergleichbar? Na, dann nicht!
Bei den Materialien lachten die Leser bei allen Schimpfwörtern: bei »dumpfen Scheiß«, »abgefuckter Kacker« und »unheimlich beschissen« (je 13), 17 bei »Arschloch« und fünf bei »Wichsereien«. Gittis Hirsch dagegen ist eher ein Kettenlacher-Gedicht, in dem kein Vers ohne Lacher blieb und 46 Lachwörter markiert wurden, davon 16-mal »Gin«, 15-mal »sifft«, elfmal »Hirn« und »pisst« und neunmal »stinkt«, »stirbt« und »igittigitti«.
120 Besucherinnen und Besucher zeichneten oder beschrieben die Exponate, die ihnen in Erinnerung geblieben waren – wobei die interaktiven Objekte sowie Filme und Stimmen überwogen: Heinz Erhardts Theaterstück mit G (9), die SelfieStation (7), die Hörbecher und das Klavier (5), Jandls Ottos Mops und Morgensterns Galgenlieder (5), Joseph Beuys’ »Wollen Sie eine Revolution ohne Lachen machen«, Taddäus Trolls Hegel in Bad Cannstatt und Robert Gernhardts Reim von »Picasso« auf »Inkasso« sowie Tucholskys lachender Reisegott Zippie, Marlene Dietrichs Telegramm an Erich Kästner, das Ästhetische Wiesel von Joachim Ringelnatz und (aus der Dauerausstellung im Schiller-Nationalmuseums) Schillers längs gestreiften Strümpfe (je 3).
55 Besucherinnen und Besucher waren bereit, mindestens 30 Sekunden die Mundwinkel hochzuziehen und zu beschreiben, was sich dadurch bei ihnen und auch an ihrer Lektüre verändert (zur Auswahl standen Kafkas Prozess, Hesses Steppenwolf und Kästners Pünktchen und Anton). 16 gaben an »fröhlicher« zu werden, 9 befanden »gleich gut«, 1 »gleich schlecht« und 2 »schlechter«, 12 wurden »entspannter«, ebenso viele »krampfhafter« und noch einmal so viele fingen zu lachen an, auch andere Besucher (»es sind 3 Menschen in den Raum gekommen und lachten«). Einige beobachten eine Veränderung der Leseerfahrung: der Text wird »lustiger«, »lächerlich«, »weniger gruselig«, »interessanter«, »man liest unkonzentrierter, kommt nicht in den Lese-Flow«, »alles ist fokussierter«, »Gefühl von Sorglosigkeit« und »Hirn: entspannt, klitzekleines Glücksgefühl«. Eine Besucherin notierte: »Wenn ich weinen möchte, gehe ich ins Kino, wenn ich lachen möchte, lese ich.«
Heike Gfrereis
Auswertung: Alina Palesch, die Literaturwissenschaft im Master an der Universität Stuttgart studiert, zusammen mit Vera Hildenbrandt und in Abstimmung mit Stephan Schwan, Leibnizinstitut für Wissensmedien. ›Lachen. Kabarett‹ ist Teil des Ausstellungsprojekts #LiteraturBewegt, finanziert von der Kulturstiftung des Bundes und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.
Beitragsfoto: Blick in die Ausstellung. Foto: DLA Marbach.