Kafkas Echo. Drei Exponate aus der Ausstellung

Vor dem Gesetz (1914) | In der berühmten »Türhüterlegende«, die im Roman Der Prozess zum Kapitel »Im Dom« gehört, wartet ein »Mann vom Lande« zeitlebens vor der nur für ihn bestimmten Tür ebenso geduldig wie vergebens darauf: Der Zugang zum Gesetz bleibt ihm verwehrt. Das Schreiben dieser Parabel erfüllt Kafka, wie er am 13. Dezember 1914 im Tagebuch notiert, ausnahmsweise mit einem »Zufriedenheits- und Glücksgefühl«. Ende Januar 1915 nimmt er die beiden Blätter vermutlich mit zu einem Treffen mit Felice Bauer und liest ihr die Legende vor. Im September 1915 publiziert er sie unter dem Titel Vor dem Gesetz in der zionistischen Wochenschrift Selbstwehr. – Sammlung Franz Kafka.

Erste Seite der »Türhüterlegende« im Prozess-Manuskript.

»Franz-Kafka-Abend bei Goltz« | Das notiert Rilke in seinem Terminkalender vom 10. November 1916 – ein Hinweis, dass er Kafkas einzige öffentliche Lesung außerhalb Prags gehört hat. Kafka trägt an diesem Abend in der Münchner Galerie Neue Kunst Hans Goltz die Strafkolonie vor. Die Reaktion der Kritik war überwiegend negativ, Kafka selbst wertet die Lesung als »tatsächlich großartigen Misserfolg«. Den »phantastischen Übermut [… ] öffentlich vorzulesen« , hat er künftig nicht mehr, belässt es bei Vorträgen im privaten Kreis. Der Maler Friedrich Feigl war Zeuge einer solchen Lesung Kafkas aus dem Kübelreiter im Februar 1917 »beim blinden Dichter Baum«. Er hält Kafka in einem Tuscheporträt fest, das er 1946 dem befreundeten Kunsthistoriker J. P Hodin widmet.

Friedrich Feigl: Kafka liest den ›Kübelreiter‹. Tuschzeichnung, London Mai 1946. – Graphische Sammlung DLA.

Martin Walser | 1949 erwirbt Martin Walser Kafkas Nachlassband Beim Bau der Chinesischen Mauer. Weil der Platz auf den Rändern der Buchseiten nicht ausreicht, benutzt er für seine Kommentare Formulare der väterlichen Bahnhofsrestauration. Walsers Dissertation von 1951 Beschreibung einer Form. Versuch über Franz Kafka gilt als Meilenstein der Forschung. Als beginnender Erzähler musste er sich von Kafka zunächst befreien. 1953 lehnt Peter Suhrkamp seine Kurzgeschichte Das Gerät ab, da der »Gestus von Kafka« zu sehr vorwalte. Walser gibt ihm recht und verspricht, weitere Manuskripte erst zu schicken – »wenn ich einmal weiß, zu welcher Art Schreiber ich mich zu zählen habe.« – Nachlässe Martin Walser und Peter Suhrkamp.

Martin Walsers Ausgabe des Kafka-Bandes ›Beim Bau der Chinesischen Mauer‹ und Brief an Peter Suhrkamp (22. August 1953).

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